Seelenkater benötigt Neuanfang
Wir hatten es kaum mehr für möglich gehalten: Capper ist soweit genesen, dass wir uns auf die Suche nach einem Zuhause für ihn machen können. Leider müssen wir das auch, weil ein Verbleib auf meiner Pflegestelle unmöglich geworden ist. Capper möchte als Einzelkater leben.
Der Kater ist bereits seit Anfang Juni bei mir. Ich hatte noch niemals einen Pflegling mit einer derart langen und teilweise fast hoffnungslos schwierigen Krankengeschichte. Unser Tierarzt bezeichnete ihn – ein wenig verzweifelt – als „äusserst kreativ“: kaum war ein gesundheitliches Problem auf dem Wege der Besserung, entstand an anderer Stelle ein neues. Irgendwann einmal war Capper ein „ganz normaler“ Struvitpatient. Er hatte Kristalle im Urin und infolge eine Blasenentzündung. Beides war behandelt worden. Mehr war nicht bekannt, als er im Tierheim abgegeben wurde, weil sein Mensch sich nicht mehr kümmern konnte. Leider gab es auch überhaupt keinen Hinweis darauf, warum der Kater so traumatisiert war. Seine riesigen Kulleraugen schauten voller Angst, fast Panik. Entsprechend schwierig war der große Kerl im Umgang. Die Kristallbildung wird nachgewiesenermaßen durch Stress gefördert, und so nahm das Unglück seinen Lauf. Immer wieder setzten die Kristalle die Harnröhre zu, immer wieder wurde diese katheterisiert. Schließlich war die Harnröhre völlig entzündet und zerstört; zudem hatte sich in der Blase so viel Urin gesammelt, dass diese faustgroß war. Nur eine Penisamputation konnte Cappers Leben retten, wobei fraglich war, ob die völlig überdehnte Blase jemals wieder normal funktionieren könnte.
Ich brachte ihn in die Klinik, wo er erfolgreich operiert wurde. Auch der Blasentonus kehrte im Laufe unserer Therapie zurück. Aber Capper war ein anstrengender Patient, der schlecht mit der Situation zurechtkam. Er trug einen Kragen, schaffte es aber sich mit diesem immer wieder die Operationsstelle wund zu scheuern. Meine Variationen an Kragenmodellen mit gepolstertem Rand waren abenteuerlich, doch irgendwann nach vielen Wochen begann der Heilungsprozess. Es folgten ein großflächig aufgekratzter Hals; ein Racheninfekt mit einem multiresistenten, humanpathogen Keim; der Blasenultraschall zeigte eine noch immer hochgradig entzündete Blase und die Urinuntersuchung einen ebenfalls multiresistenten E.coli-Keim.
Alles ist heute, im Dezember, Vergangenheit. Und das Wunderbare ist, dass Capper sich trotz der Behandlungen und trotz des Tragens eines Kragens bis jetzt, zu einem Traumkater entwickelt hat. Er hat ein tiefes Vertrauen zu mir und geht inzwischen freundlich und kommunikativ auf Fremde zu. Er sucht die menschliche Nähe und kann vom Schmusen nicht genug bekommen. Er ist schön, durchaus eigenwillig und klug (Capper öffnet Türen!). Ein toller Kumpel, der viel Freude macht. Natürlich merkt man ihm seine – aus welchen Gründen auch immer – nicht gute Vergangenheit an. Der stattliche Kerl ist extrem unsicher und ein richtiges Sensibelchen. Ich liebe ihn innig, und gerade deshalb suche ich jetzt ganz dringend ein Zuhause für ihn: Capper kommt nicht mit anderen Katzen zurecht und diese nicht mit ihm. Sie haben einfach Angst vor dem großen Kater, der immer ein wenig tollpatschig daher kommt.
Seit Monaten lebt Capper in einem Zimmer alleine und wird fast depressiv. Er jammert hinter der Gittertür; stundenlang sitzt er am Fenster und schaut sehnsüchtig hinaus. Seit bald einem Jahr darf er kein Gras mehr unter den Pfoten spüren. Der Zustand ist Gift für seine Seele und für seine Gesundheit. Aus Langeweile kratzt und leckt Capper sich wieder wund; ich musste ihm erneut einen leichten Halsverband und einen Kragen anziehen.
Capper ist 8 Jahre alt – er hat sein halbes Leben noch vor sich. Wir suchen nun die Menschen oder gerne auch die Familie, die ihm all‘ das geben/gibt, wonach er sich so sehr sehnt. Die ihn lieb haben, aber auch mit ihm umgehen können. Erfahrung mit Katzen ist aufgrund der Krankengeschichte und auch der empfindlichen Seele des Katers Voraussetzung. Kinder sollten älter sein und den Umgang mit Katzen kennen. Capper benötigt ein ruhiges Zuhause mit geregelten Abläufen. Er wird eine Zeit brauchen um Vertrauen zu fassen und endlich zur Ruhe zu kommen. Natürlich soll er Freigang bekommen, weshalb wir uns eine etwas ländliche Umgebung wünschen. Ein eingezäuntes Grundstück wäre für den Angst“hasen“ sicher von Vorteil.
Leider müssen wir den Verbleib des Katers bei seinem Tierarzt in Bonn-Beuel zur Bedingung machen. Dort kennt man ihn und seinen Therapieverlauf; dort weiß man wie mit ihm, der so viel durchgemacht hat, umzugehen ist.
Cappers wunderschöne, große Augen waren voller Angst, als er kam. Inzwischen sprechen Vertrauen aber auch eine tiefe Traurigkeit aus ihnen. Ich möchte sie endlich strahlen sehen. Strahlen vor Glück für den Rest seines Lebens.