Wieder einmal war es zu spät

8. Mrz. 2021

Der ehemals schöne, rot-weiße Kater fand sich an einer Futterstelle ein. Auf einem Privatgrundstück, mitten in einem Wohngebiet, lebte (und lebt) seit vielen Jahren eine nicht sozialisierte Katzengruppe, der er sich anschloss. Das ist jetzt einige Jahre her. Ob er damals bereits kastriert und tätowiert (aber nicht registriert) war, oder wenigstens ersteres von den „Findern“ gemacht wurde, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Getestet auf die viralen Katzenkrankheiten wurde er nicht. Dabei wäre nämlich herausgekommen, dass er FIV-positiv war und zum Schutze der anderen Katzen gar nicht mehr im ungesicherten Freigang hätte leben dürfen.

Erkundigungen in der Nachbarschaft brachten kein Ergebnis zu seiner Herkunft, und so blieb er. Er bekam zu fressen und nutzte den gemeinsamen (heutzutage indiskutabel verdreckten) Unterschlupf. Mehr gab es nicht. Keinen Versuch, ihn zu sozialisieren und einen Tierarzt sah er auch nicht mehr. Rufus, wie wir den Rotschopf nannten, wäre ein trauriges, elendes Leiden erspart geblieben. Wie lange der Kater seinen Kopf schief nach links hielt, wissen wir nicht; die deutliche Bewegungseinschränkung (fast eine Ataxie) fiel wohl gar nicht auf. Erst als er nicht mehr fraß, wurde nach Hilfe gesucht – immerhin.

Wir brachten ihn sofort zum Tierarzt. Das ältere Tier war voller Flohkot, das Fell verfilzt, die Augen infolge des zu hohen Blutdrucks deutlich geschädigt, die Zähne teilweise abgebrochen. Das Ergebnis der Blutuntersuchung war gar nicht so schlecht mit Ausnahme der ungeheuer hohen Entzündungswerte. Zudem lag der Titer einer passiven Toxoplasmose um ein Vielfaches über der Norm. Ich schöpfte ein wenig Hoffnung, wäre doch das eine der möglichen (und therapierbaren!) Ursachen für die neurologischen Auffälligkeiten gewesen.

Aber die Behandlung schlug nicht an, so dass wir uns doch zu einer leichten Narkose entschieden um Röntgenaufnahmen des Kopfes zu machen. Was wir auf den Bildern sahen, war erschütternd. Die Zahnentzündungen hatten sich in den Kieferknochen ausgebreitet, so dass sich dieser bereits in Auflösung befand. Der komplette Bereich des linken Innenohres war röntgendicht, was auf eine hochgradige, sicher chronische Entzündung wenn nicht schon einen Tumor schließen ließ. Der Kater musste seit langem nicht nur schlimme Schmerzen ertragen haben, er war natürlich auf dem linken Ohr taub, und der Gleichgewichtssinn war gestört. Zusammen mit der eingeschränkten Sehkraft ein Desaster für ein Tier, das draußen zurechtkommen musste.

Aber nun durfte Rufus ausruhen.

Abgedeckt mit dem passenden Antibiotikum und einem Schmerzmittel; gegen die Flöhe behandelt und liebevoll in der Praxis gekämmt. Der erhöhte Blutdruck war schnell eingestellt, die Kopfhaltung vielleicht etwas weniger schief. Seine Augen sagten „ich möchte leben, ich möchte Zuneigung und Zärtlichkeit erfahren“. Die Nachtbilder der Wildkamera zeigten einen Kater, der mit dem Baldriankissen schmuste, sich putzte, reckte und überall hinauf kam. Ball und Plüschmäuse lagen jeden Morgen im Zimmer verstreut. Wenn ich seinen Kopf kraulte, konnte er manchmal loslassen, aber der Versuch zu schnurren endet eher in einem Seufzer. Er fraß nicht wirklich gut (wie auch – mit DEN Zähnen) und fast ausschließlich nachts, was die Medikation deutlich erschwerte. Es hätte Zeit gebraucht, bis wir gewusst hätten, ob diese hätte greifen können oder ob aus dem hochgradig entzündlichen Prozess schon lange ein bösartiger Tumor geworden war.

         

Heute früh fand ich Rufus nicht an einem seiner erhöhten Plätze sondern hinter dem Tuch auf der Decke am Boden. An der Nachtmahlzeit hatte er nur genippt.

Wir mussten ihn gehen lassen.

Wieder einmal kam unsere Hilfe zu spät. Wieder einmal hat ein Tier lange leiden und letztlich sterben müssen, weil Menschen nicht frühzeitig gehandelt hatten; weil niemand Verantwortung übernehmen wollte. Rufi, ich hatte mir gewünscht, dass Du noch hättest leben können; Geborgenheit und Fürsorge hättest spüren dürfen. Gerne hätte ich ein wenig wieder gut gemacht. Aber wir konnten nur noch lindern. Für eine Heilung waren die Erkrankungen zu weit fortgeschritten.

Anmerkung: Der Kater wurde Ende 2014 durch einen ortsansässigen Katzenschutzverein kastriert und tätowiert, aber nicht bei TASSO registriert. FIV+ war er ganz sicher damals schon. Aber wie bei diesem Verein üblich wurde er ungetestet zurückgesetzt. Die Leute, die die Futterstelle unterhalten, sind aufgefordert ihre Katzen tierärztlich untersuchen und insbesondere auf das FIV-Virus testen zu lassen. Beratungs- und Hilfsangebote liegen von mehreren Seiten vor. Sollte keine Reaktion erfolgen, erwäge ich eine Anzeige beim Veterinäramt.

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