Charly und Liliom – Stadttaubenschicksale

5. Okt. 2014

stadttauben-bonn-artikelTauben sind ein fester Bestandteil des Bildes unserer Städte. So sehr, dass die Tiere kaum noch als Lebewesen mit allen körperlichen und seelischen Empfindungen und Bedürfnissen wahrgenommen werden.

Im besten Falle werden sie ignoriert, im schlimmsten gejagt und umgebracht.

Fußgänger und Radfahrer, die bewusst achtlos durch eine am Boden pickende Vogelgruppe hindurchgehen/-fahren sind Normalität; Mütter, die verzückt zusehen, wie ihre Kleinkinder jauchzend Tauben aufscheuchen, werden voller Rührung belächelt. Stadttauben gehören zu den Tieren, die nur selten Fürsprache erhalten; verkannt und verachtet gehen die einzelnen Individuen unter in einer riesigen, anonymen Masse.

Anfang September begegneten mir innerhalb von 2 Tagen 2 junge Täuber: sie erhielten Namen und Dank einer wunderbaren Vogelspezialistin Versorgung und Anteilnahme.

Charly_1Charly wurde von aufmerksamen Tierfreunden auf dem Flachdach eines Anbaus in einem Hinterhof entdeckt. Viele Stunden beobachteten sie, dass er regungslos verharrte. Die Taube war offensichtlich flugunfähig, das vom Balkon hingestreute Futter nahm sie nicht auf. Ohne jeden Fluchtversuch ließ sich der Vogel fangen und in die Transportbox setzen. Die Diagnose war niederschmetternd: ein Bein war gebrochen, auch der Flügel war verletzt und der ganze Körper war voller Blutergüsse.

Der junge Täuber war offensichtlich bei einem seiner ersten Flugversuche auf dem Balkongeländer gelandet und dann abgestürzt. Ohne die Achtsamkeit und Tatkraft seiner Retter wäre er unweigerlich verdurstet und verhungert. So aber war sein Ernährungszustand noch gut und er war nun in kompetenten Händen. Das Bein wurde geschient und Charly, versehen mit einem Schmerzmittel, in einer Krankenbox untergebracht. Heute, fast 4 Wochen später, ist der Bruch verheilt und der Täuber benutzt das Bein normal. Ob er auch fliegen kann, wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Zur Zeit lebt Charly in einer Gruppe von Tauben mit Handicap, die alle flugunfähig sind. Er zeigt sich hochsozial; kümmert sich um eine Türkentaube und versucht seine anderen „Freunde“ zu putzen. Ein guter Ausgang für eine junge Taube, deren Leben gerade erst begonnen hatte und doch fast schon wieder zu Ende gewesen wäre.

Liliom_1Liliom fand ich buchstäblich „im Rinnstein“. Er saß auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums auf der Fahrbahn, eng an den Bordstein gedrückt. Als ich ihn aufnahm, war er so entkräftet, dass ich meinte, der Vogel stürbe in meiner Hand. Wie lange mag er dort – schutzlos der Sonne ausgesetzt – gehockt haben? Wie viele hunderte Menschen waren achtlos an ihm vorbeigegangen? Wie viele hunderte Autoräder hätten ihn fast überrollt?

Ich fuhr den Vogel – auch er ein junger Täuber – sofort zu Vogelspezialistin Sabine Brunelli. Diese befürchtete zwar eine Vergiftung, aber Liliom erholte sich in den nächsten Stunden überraschend gut. Liebevoll und kompetent versorgt genoss er die Geborgenheit seiner Box. Er starb ohne sichtbare Anzeichen einer Krise in den frühen Morgenstunden. Hier konnten wir ein Vogelleben nicht retten. Aber einen stundenlangen, qualvollen Tod in der Gosse konnten wir Liliom ersparen. Hunderte seiner Artgenossen müssen ihn täglich erleiden.

Umso mehr zählt für uns jeder einzelne Vogel, den wir aufnehmen und versorgen können. Und sei es „nur“ um ihm ein würdevolles Ende zu ermöglichen.

Charly

Charly

Liliom

Liliom

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