Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit)

1. Jan. 2016

Der Diabetes ist eine Stoffwechselerkrankung, die sich in einem überhöhten Blutzuckerspiegel darstellt. Normalerweise sorgt das in der Bauchspeicheldrüse gebildete Hormon Insulin dafür, dass der Zucker aus dem Blut in die Gewebe aufgenommen wird. Besonders das Gehirn, die roten Blutkörperchen und das Nierenmark sind zur Energiegewinnung auf Glukose angewiesen. Fehlt das Insulin – entweder, weil es nicht mehr in ausreichender Menge produziert wird, oder weil die Zellen nicht mehr darauf reagieren (Insulinresistenz) – steigt der Zuckergehalt im Blut an, und der gesamte Stoffwechsel gerät aus dem Gleichgewicht. Die Folgen sind dramatisch und führen unbehandelt zum Tode. So schädigt ein dauerhaft zu hoher Blutzuckerspiegel u.a. die Nieren und sowohl das bewusste als auch das unbewusste Nervensystem. Gravierende motorische Störungen bis hin zu Lähmungen, eine ausgeprägte Schmerzempfindlichkeit, Blasenschwäche und Herzrhythmusstörungen können einige der Symptome sein. 

!! Wird ein Diabetes festgestellt, ist dieser unverzüglich zu therapieren !!

Während sich Diagnostik und Management der Erkrankung in der Humanmedizin auf höchstem Niveau befinden, gehört der Diabetes von Tieren zu den absoluten „Stiefkindern“ der Veterinärmedizin. Gerade Katzen sind aber gar nicht selten betroffen: nicht artgerechte Fütterung (getreide- und schlimmstenfalls zuckerhaltiges Feuchtfutter und vor allem Trockenfutter) führt zu Darmerkrankungen bis hin zu chronischen Entzündungen der Bauchspeicheldrüse, zu Übergewicht und im weiteren Verlauf zu einem Diabetes. Trockenfutterdiabetiker stellen die größte Gruppe der Patienten dar; gefolgt von Katzen, die den Diabetes infolge von Dauercortisongaben entwickelt haben.

Symptome

Bei folgenden Symptomen sollte auch ein Diabetes in Betracht gezogen werden: Vermehrter Durst, vermehrter Urinabsatz (evtl. Unsauberkeit), Blasenentzündungen, Heißhunger aber gleichzeitig Gewichtsabnahme (einige Tiere nehmen zunächst stark zu); das Fell wird glanzlos und struppig, bei Verletzungen besteht eine schlechte Wundheilung. In fortgeschrittenem Stadium sieht man Hinterhandschwäche, Koordinationsstörungen, in seltenen Fällen eine Linsentrübung. Übelkeit und Inappetenz können Ausdruck einer akuten Bauchspeicheldrüsenentzündung sein; die wiederum einen Diabetes nach sich ziehen kann.

Diagnostik

Eine Urin- und eine Blutuntersuchung sind unumgänglich. Im Urin wird geprüft, ob sich Glukose darinnen befindet, im Blut werden die Werte für die Glukose und den Fructosaminspiegel bestimmt. Der Glukosewert ist stark stressabhängig und unterliegt gerade bei Katzen enormen Schwankungen. Deshalb muss die Diagnose eines Diabetes mit dem Wert für den Fructosaminspiegel abgesichert werden. Es handelt sich hierbei quasi um einen „Durchschnittswert“ der zurückliegenden 2 – 3 Wochen. Dieser Wert wird später auch herangezogen um zu prüfen, ob der Diabetes eingestellt ist oder nicht. Zwingend ist die Bestimmung der spezifischen Pankreaslipase (spec.f.Pli), und natürlich sollte man sich einen Überblick über den Status der übrigen Organe verschaffen und ein Blutbild einschliessen. Eventuell ist noch eine Kotuntersuchung notwendig. Werden weitere Erkrankungen nicht erkannt und therapiert, bekommt man den Diabetes nicht „in den Griff“ !

Der Diabetes der Katze

Die Diagnose ist für die meisten Tierhalter zunächst einmal ein Schock. Und leider werden sie häufig von ihrem Tierarzt ziemlich alleine gelassen. Die Katze bekommt Diabetes-Futter (feucht und trocken, massiv kohlehydrathaltig und deshalb immer kontraindiziert) der gängigen Diätfutterhersteller verschrieben, das sie entweder gar nicht oder nach kurzer Zeit nicht mehr mag. Anhand des in der Praxis gemessenen Glukosewertes wird eine Insulinmenge bestimmt, die morgens und abends zu spritzen ist (im allerschlimmsten Fall wird das Tier nur einmal täglich gespritzt!) und es wird ein Kontrolltermin in 2 – 3 Wochen festgelegt.

Das kann nicht sein!

Wenn man sich klar macht, von wie vielen Faktoren der Blutzuckerspiegel beeinflusst wird, ist es inakzeptabel dem Tier dauerhaft (bezogen auf die tierärztlichen Kontrollintervalle) ein und dieselbe Menge an Insulin zuzuführen ohne Kontrolle und ein angepasstes Futtermanagement.

Das Futter (Art und Menge), Bewegung oder Phlegma, Stress, der immer unterschiedliche Stoffwechsel u.v.m. entscheiden über die Höhe des Blutzuckerspiegels und damit über den Insulinbedarf. Wie jeder Menschendiabetiker auch, muss ein Tier sorgfältig überwacht werden. Nicht selten geraten Katzen ohne tägliche Blutzuckerkontrolle in den Unterzucker, entwickeln eine Ketoazidose (https://de.wikipedia.org/wiki/Ketoazidose) oder erleiden einen Zuckerschock. Aber selbst ohne diese tödlichen Krisen, werden sich die Werte kaum jemals in einem Bereich befinden, mit dem das Tier sich wirklich gut fühlt, und der eine Schädigung anderer Organe durch den Diabetes ausschliesst.

Zugegeben: ein diabetisches Tier zu betreuen erfordert Disziplin und bedeutet eine hohe Verantwortung. Aber das Handling ist leicht zu erlernen und wird binnen weniger Wochen zur Tagesroutine für Mensch und Tier. Dabei zeigen sich die Zuckerschnuten meist erstaunlich kooperativ.

Als größere Herausforderung verbleibt immer das Zeitmanagement. Gemessen und gespritzt wird zweimal täglich in einem möglichst exakten Abstand von 12 Stunden, gefüttert idealerweise in 4-Stunden-Intervallen. Letzteres kann natürlich (insbesondere nachts) mithilfe eines Futterautomaten sichergestellt werden. Jedoch sollte eine diabetische Katze nicht über zu viele Stunden ohne Aufsicht sein. Wenn sie nämlich nicht die übliche Futtermenge frisst oder gar im Laufe des Tages erbricht, gerät sie (gerade mit einem Langzeitinsulin) schnell in den lebensgefährlichen Unterzucker. Bei längerer Abwesenheit wird also immer eine Vor-Ort-Betreuung oder ein entsprechend versierter Pensionsplatz benötigt. Jemand der morgens und abends kurz zum Messen und Spritzen vorbei kommt, reicht nicht aus.

Es ist unmöglich in einem Artikel alle Komponenten der Erkrankung und ihres Managements zu erfassen. Zumal jeder Fallverlauf ein wenig unterschiedlich ist.

Es gibt aber inzwischen ausreichend erfahrene Tierhalter, die gerne unterstützen und seit Jahren ein ganz hervorragendes Forum: https://www.diabetes-katzen.net/

Das sorgfältige Diabetesmanagement

Neben einer guten tierärztlichen Betreuung, die auch die Grund- und Folgeerkrankungen eines Diabetes im Blick behält, fußt das Management auf 3 Säulen: der Kontrolle des Blutzuckers zuhause, dem richtigen Futter und der Wahl des passenden Insulins.

Kontrolle des Blutzuckerspiegels: Hometesting

Jede Katze benötigt eine individuelle Insulinmenge, die es zunächst sorgfältig zu ermitteln gilt.

diabetes-katzen-behandlungFeststellen können Sie diese nur, wenn Sie den Blutzucker Ihres nüchternen Tieres messen. Die Ausrüstung kommt aus dem Menschenbereich: ein qualitativ gutes Blutzuckermessgerät, die passenden Sensoren, Lanzetten um das Katzenohr anzupieksen und skalierte Insulinspritzen. Idealerweise schaffen Sie sich ein Kombi-Messgerät an, das auch die Ketone messen kann (diese Sensoren sind leider sehr teuer). Den Blutstropfen gewinnen Sie aus der Vene, die parallel zum Rand der Ohrmuschel verläuft. Am Anfang werden Sie das Ohr ein wenig kneten müssen, aber nach wenigen Malen bildet er sich zügig nach dem Stechen. Zur Belohnung darf die Miez fressen. Erst nach einer Wartezeit von 20 – 30 Minuten (wenn Sie sicher sind, dass das Futter auch d’rinnen geblieben ist) wird die festgelegte Insulindosis gespritzt. Gemessen und gespritzt wird im 12-Stunden-Rhythmus und das muss genau sein. Die Insulinmenge sollte möglichst konstant bleiben, größere Schwankungen der BZ-Werte sind über das Futtermanagement auszugleichen. Es ist absolut zu vermeiden, gar nicht zu spritzen. Auch wenn der aktuell gemessene Wert es vielleicht nicht widerspiegelt, braucht die Katze ihr Insulin. Ausnahmen wären natürlich, wenn sie nicht fräße oder eben erbräche. Auch zusätzliche, akute Erkrankungen könnten kurzfristig eine Abweichung vom idealen Schema notwendig machen.

Ganz wichtig ist es zu verstehen, dass sich die Dosis, auf die die Katze eingestellt wird, keinesfalls an dem Früh- und Spätwert orientieren darf sondern am tiefsten Tageswert, dem sogenannten Nadir https://de.wikipedia.org/wiki/Nadir_(Medizin) auszurichten ist. Sie müssen anfangs also relativ häufig Zwischenmessungen vornehmen, um den Zeitpunkt und die Größe des Nadirs herauszufinden. Stellen Sie das Tier auf zu niedrige Endwerte ein, können Sie davon ausgehen, dass es sich in der Zeit dazwischen irgendwann stark im Unterzucker befindet. Wann der Nadir erreicht wird, hängt vom verwendeten Insulin ab und ist ausschlaggebend für ein erfolgreiches Diabetesmanagement (weitere Informationen unter „Das Insulin“). 

Natürlich können und sollten Sie Ihre Katze auch später zwischen den Spritzzeiten kontrollieren, insbesondere wenn sich die Blutzuckerwerte durch akute Erkrankungen oder zusätzliche Medikamente verändern. Auch das immer einmal wieder benötigte Tagesprofil (eine Messreihe über 12 Stunden, für die im 2-Stunden-Takt gemessen wird) können Sie selbst erstellen. Im häuslichen Umfeld werden Sie viel verlässlichere Werte erhalten, als es unter den für das Tier stressigen Bedingungen in der Tierarztpraxis möglich wäre.

Nur wenn Sie Hometesting praktizieren, können sie Ihre Katze optimal einstellen. Die Chance, Ihren Diabetiker in die Remission zu bekommen ist ungleich höher, die Gefahr von Folgeschäden dauerhaft zu hoher Blutzuckerwerte wird ebenso minimiert wie die Gefahr eines tödlichen Unterzuckers.

Das Futter

Katzen sind reine Fleischfresser. Ihre artgerechte Ernährung besteht aus Feuchtigkeit, tierischen Eiweißen, wenigen Ballaststoffen und einem verschwindend geringen Anteil an Kohlehydraten. Die gängigen Nassfutter dagegen beinhalten minderwertige Schlachtabfälle, Getreide (pflanzliche Nebenerzeugnisse sind meist Getreidemehle) und nicht selten Zucker, Zuckerrübenschnitzel oder Karamell. Beim Trockenfutter ist der Getreideanteil noch deutlich höher und natürlich fehlt ihm die Feuchtigkeit. Diese Kost belastet nicht nur die Entgiftungsorgane und den Darm sondern führt auch zu hohen Glukosekonzentrationen im Blut. Das richtige Futter für Katzen, ganz besonders für Diabetiker, ist proteinreiches, kohlehydratfreies Futter. Meine Erfahrung zeigt, dass allein eine Futterumstellung die Blutzuckerwerte deutlich senken kann. Nicht wenige Katzen haben „nur“ einen sogenannten „Fütterungsdiabetes“ und sind mit einem sorgfältigen Insulinmanagement und angepasster Fütterung in die Remission zu bekommen (d.h. sie benötigen kein Insulin mehr; sollten aber regelmässig überprüft werden).

Es kann hilfreich sein den sogenannten NFE-Wert eines Futters zu errechnen (entsprechende Tabellen sind im Internet zu finden). Hierbei handelt es sich um einen Orientierungswert für den Kohlenhydrat-Anteil im Futter. Trotzdem gilt: ein niedriger NFE-Wert alleine gibt noch keine Garantie dafür, dass Ihre Zuckerschnute mit dem Futter auch zurechtkommt. Je nach Stoffwechsellage kann eine Katze mit hohen Blutzuckerwerten reagieren, während eine zweite niedrig bleibt. Deshalb sollten Futtersorte und –menge anfangs immer mit im Diabetes-Protokoll eingetragen werden. Mit der Zeit kennen Sie die Futtersorten und Leckerchen mit denen ihr Liebling stabil bleibt, und diejenigen die zu einer Erhöhung der Werte führen. Das ist auch deshalb so wichtig, weil auf Schwankungen mit einer Anpassung der Fütterung (Menge und Sorte) und nicht mit einer Veränderung der Insulindosis reagiert werden muss. 

Das Insulin

Seit einigen Jahren gibt es ein Insulin speziell für Katzen. ProZink ist ein U40-Insulin (40 internationale Einheiten pro Milliliter) und wird 2x täglich gespritzt. Es gilt als Langzeitinsulin, obgleich seine maximale Wirkdauer erfahrungsgemäss nur wenige Stunden beträgt und damit um ein Vielfaches kürzer als der Verabreichungsturnus ist. Das Wirkmaximum ist ausgeprägt, die Gefahr einer Unterzuckerung also nicht gering. Die Handhabung des Mittels ist recht sensibel um nicht zu sagen unpraktisch.

Das deutsche Recht erlaubt die Anwendung eines Präparates aus der Humanmedizin am Tier erst, wenn eine Therapie mit Veterinärprodukten erfolglos bleibt. Der Tierarzt muss also zunächst ProZink verschreiben. Erst wenn die Katze damit nicht einzustellen ist, darf er (mit ein wenig gutem Willen) auf Lantus (nicht sehr gebräuchlich: Levemir) wechseln. Hierbei handelt es sich um ein U100-Insulin und auch tatsächliches Langzeitinsulin. Lantus wirkt sehr gleichmässig ohne einen schnellen Abfall über 8 – 10 Stunden. Die Gefahr der Unterzuckerung ist gering, die Remissionsquote der Tiere unter diesem Insulin ausgesprochen hoch. Es gilt als DAS Insulin der Wahl und wird von den wenigen Tierärzten, die sich wirklich mit der Erkrankung auskennen, auch schon einmal direkt verschrieben.

Für mich völlig unverständlich (und eigentlich auch nicht erlaubt) starten noch immer viele Ärzte mit Caninsulin. Das ist – wie der Name sagt – für Hunde zugelassen, fand aber mangels Alternative auch für Katzen Anwendung. Seine maximale Wirkkonzentration ist bereits nach 1,5 – 3 Stunden erreicht, danach baut es sich innerhalb von ungefähr 5 Stunden ab. Im schlimmsten Falle verbleibt die Katze also 5,5 Stunden quasi untherapiert. Das Erreichen eines akzeptablen Fructosaminwertes ist nahezu unmöglich, weil die Tiere viel zu lange viel zu hohe Blutzuckerwerte haben.

Die Begleitung eines Diabetikers ohne die zuvor beschriebenen Maßnahmen ist für mich als Tierheilpraktikerin nur schwer vorstellbar. Die Folgen eines nicht eingestellten Diabetes sind so gravierend, die Komplikationen, die auftreten können, so vielfältig. Ich möchte zuhause nicht hilflos davor stehen, wenn es meiner Zuckerschnute schlecht geht. Eine große Verantwortung liegt in unseren Händen als Halter, ist aber auch Chance, einem Diabetiker zu einem wirklich guten und langen Leben zu verhelfen.

Dieser Artikel wurde ergänzt am 10.04.2022

Ulrike Schnappat
Tierheilpraktikerin

Bitte beachten Sie:
Im Sinne der ganzheitlichen Betrachtungsweise erarbeite ich meine Diagnosen und Therapievorschläge auf der Grundlage einer sorgfältigen Anamnese, die ich im Rahmen eines längeren Hausbesuches erstelle. Ferndiagnosen oder gar Therapieempfehlungen ohne das Tier und sein Umfeld gesehen zu haben, symptomatische Medikamentierungen oder Einzelratschläge gehören nicht zu meinem Angebot.

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