Ganz übel im Stich gelassen

30. Okt. 2022

Als „Karl“ kam der imposante Kater im Frühjahr 2020 über einen Tierschutzverein auf einen Reiterhof. Man hatte die Besitzerin mehr oder weniger „überredet“ einigen Wildlingen einen Platz zur Verfügung zu stellen. Recht bald zeigte sich, dass er so „wild“ nicht war: er hielt sich in der Hauptsache auf dem Hof auf und fasste schnell Vertrauen zu den Damen die fütterten. 

Die anderen Katzen verschwanden nach und nach. Karlchen, wie man ihn liebevoll rief, blieb. Als ein weiterer Kater zulief, wurde es schwierig für ihn. Es kam zu erbitterten, blutigen Kämpfen, bei denen er immer der Verlierer war. Schon länger wurde überlegt, ihm ein richtiges Zuhause zu suchen; eine Verletzung der linken Vorderpfote machte die Umsetzung des Gedankens zwingend. Karlchen zog in mein Katzengartenhaus und durfte dort erst einmal zur Ruhe kommen. Wie beschrieben war der große Kerl einfach nur lieb, allerdings sehr verschüchtert, und sein Blick war unsäglich traurig. Ich erkannte sofort, dass er deutlich älter als die angegebenen 6 Jahre war und auch ganz sicher nicht erst in 2020 kastriert wurde. Und richtig: als ich ihn zum ersten Mal ein wenig kraulen durfte, sah ich gut lesbare Tätowierungen in beiden Ohren. Die Tierarztpraxis, in der er 2014 kastriert und tätowiert worden war, war schnell gefunden, seine Geschichte im Groben zu rekonstruieren. Karlchen wurde als „Leo“ im Juni 2013 geboren. Er hatte ein gutes Zuhause, wenngleich es viel zu viele Katzen gab. Irgendwann wurde sein Mensch krank, verlor den Überblick und verstarb dann auch. Ob die verbliebenen Tiere infolge fehlender Versorgung abwanderten und streunten, oder ob der Tierschutzverein direkt zu Hilfe gerufen wurde, wissen wir nicht. Es ist aber schwer vorstellbar, dass nicht bekannt war, dass die Katzen incl. Karlchen ein Zuhause hatten. Dass die Tätowierung sowohl von den Tierschützern als auch von deren Ärztin übersehen wurde, ist eigentlich undenkbar. Der Kater wurde gechippt, ziemlich sinnlos (da einmalig) geimpft und dann auf den Hof abgegeben. 

Jetzt ist er hier. Zum Glück negativ getestet auf FIV und FeLV und Giardien. Das Bein benutzt er inzwischen wieder normal, das Röntgenbild ist unauffällig. Die Blutuntersuchung zeigt kleinere Entgleisungen die insgesamt auf eine schlechte Darmgesundheit schließen lassen. Karlchen frisst Unmengen, ist aber zu dünn. Eine wirkliche Katastrophe war seine Zahngesundheit: die meisten Zähne waren bereits ausgefallen, die verbliebenen Wurzeln und die restlichen Zähne hochentzündet. In einer umfänglichen Zahnsanierung wurden sie gezogen. Nun hoffen wir inständig, dass das Antibiotikum wirkt, und auch die Schwellung des Zahnfleisches, die sich bereits äußerlich unter dem rechten Auge zeigt, zurück geht. Wenn nicht, wäre die Entzündung bereits in den Kieferknochen vorgedrungen und im schlimmsten Fall bösartig entartet. 

Die Zähne müssen schon vor zwei Jahren in keinem guten Zustand gewesen sein. Warum wurden sie nicht damals schon saniert? Der Kater hat gelitten, 2 ½ Jahre lang, seelisch und körperlich. Bei allem Verständnis für die finanziellen Nöte eines Tierschutzvereins und für dessen Mangel an Unterbringungsmöglichkeiten. Wer derart oberflächlich und empathielos mit einem Lebewesen umgeht, verdient meiner Meinung nach den Namen „Tierschützer“ nicht.

Zum Glück gab Karlchens Betreuerin nicht auf. Sie suchte und fand eine Lösung. Die Schmerzen sind vorbei, die unzähligen Krusten werden nach und nach abheilen. Karlchen wird den Rest seines Lebens als geliebte Hauskatze verbringen. Ob mit oder ohne Tumor, ob bei mir oder in einem noch zu findenden Zuhause ist im Moment nebensächlich. 

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