Die Schmerzen eines Streuners (5)
Folge 5: Bridie.
Die ca. 5 – 6 Jahre alte Kätzin ist die Mutter der drei verbliebenen Katzenkinder. Ausgeleiert und ausgemergelt von zahlreichen Schwangerschaften, trägt sie zudem die Zeichen der in solchen Populationen zwangsläufigen Inzucht überdeutlich. Es grenzt an ein Wunder, dass sie in diesem Zustand noch gesunde, propere Kinder gebären und aufziehen konnte. Und dass sie sich bei den zahlreichen Deckakten nicht mit einer der tierartspezifischen Viruserkrankungen infiziert hat.
Bridie sieht uralt aus, ist viel zu dünn und ihre Zahngesundheit ist mehr als schlecht. Etliche Zähne waren schon ausgefallen – jedes Mal ein langsamer, schmerzhafter Prozess. Weitere wurden bei der Kastration gezogen, solange es die Narkose zuließ. Die noch verbliebenen müssen entfernt werden, sobald die Katze sich erholt hat und zu Kräften gekommen ist. Erst danach kann sie schmerzfrei und ohne ständige Entzündungen leben. Ein Schicksal wie das von Bailee wird ihr erspart bleiben.
Die körperlichen Probleme, entstanden durch schlechte Erbanlagen und jahrelange Mangelversorgung, werden gesunden. Viel schwieriger wird das für die Seele der Kätzin. Ich habe selten ein so stark traumatisiertes Tier erlebt. Was musste sie alles ertragen? Unzählige Begegnungen mit potenten Katern. Ebenso zahlreiche Schwangerschaften, für die der Organismus bald keine Reserven mehr hatte. Wie viele Kinder hatte sie geboren? Wie viele davon musste sie sterben sehen? Sie war in ständiger Sorge, diejenigen, die es geschafft hatten, zu schützen und zu verteidigen. Und das bei eigenen Defiziten und zunehmenden Schmerzen. Auch von Menschen erfuhr sie wohl nie etwas Gutes. Die schlimmen Erfahrungen der ersten Lebensjahre sitzen tief und liessen Bridie zu diesem extrem ängstlichen, geradezu panischen Notfellchen werden. Nicht einmal über die verlässliche Fütterung gelang es mir bisher wenigstens den Ansatz eines Vertrauensverhältnisses zu schaffen. Eine kleine Hoffnung machen die Bilder der Kamera, auf denen ich eine agile Katze, die sich mit den Gegebenheiten ihres „betreuten Wohnens“ recht gut arrangiert hat, sehe.
Wir können die physischen und psychischen Schäden der Vergangenheit nicht „fortzaubern“ – Bridie wird immer Unterstützung benötigen. Ich hoffe sehr, dass sich irgendwann der Platz finden wird, an dem sie endlich ein gutes im besten Falle glückliches Katzenleben führen kann.
